Wo stehen wir heute – Marx, Freud und …?

von 2b am 8. August 2012

Der Film und die Geschichte

Der Film Dunkle Begierde  hat sie gefördert: die Assoziation mit der Zeit und der Person Freuds.
Freud hat vor hundert Jahren die Psychologie als neuen Raum der Wahrnehmung und der Lösung installiert. Er hat gezeigt, wieviele der Problem verursachenden Phänomene aus einem bis dahin als unmännlich verunglimpften Raum stammen.

Wie beharrlich die Angst vor der Wahrheit ist, zeigt sich darin, dass sich heute noch, hundert Jahre danach, die sich selber männlich-stark wähnende Mehrheit der Männer gegen dieses ‚weichliche‘ Ansinnen wehrt. Und bestimmen, was gesellschaftlich anerkannt wird und was nicht, das tun ja nach wie vor Männer. Das gilt für die Politik, die Wirtschaft und ebenso für die Wissenschaft. Und dort ganz besonders für die Medizin, plus für alles, was zu deren Machtbereich gehört.

Dabei hat Freud bloss den Teil eines Systems erkannt und unter die Leute gebracht. Man kann sagen, Freud hat dem bestehenden System eine neue Dimension verliehen.
Immerhin.
Und das war bereits Provokation genug, um von hüben bis drüben angefeindet zu werden. „Nestbeschmutzer, Tabubrecher, Scharlatan!“

Nun geht es um mehr

Etwas vollkommen anderes – und um ein Vielfaches schwieriger – ist das jedoch, wenn gleich ein ganzes System kritisch analysiert und mit der kompletten Alternative konfrontiert wird.

Ich meine nichts weniger, als unser ganzes Lebenssystem, auf dem unsere Wahrnehmung, unsere Einstellungen, unser Verständnis des Lebens, unsere Ethik sowie unsere Einschätzung dessen, was richtig und was falsch ist, beruhen.

Hier wäre historisch schon eher – und mW nur! – Marx zu nennen. Auch wenn er schliesslich den falschen Weg vorschlug. Auch für Marx war die Zeit nicht reif, den Kontext der Matrix zu verlassen (wenn ich bei der Verwendung des Begriffs Revolution gefragt werde, ob ich Marxist sei, so lautet die Antwort: „Eine 150 Jahre alte Theorie? Ein Marxist zählt heute klar zu den Konservativen!“).

Bedeutendster und zukunftsträchtigster Umstand bei diesem Vorhaben:

Bedeutende Lösungen werden nur möglich, wenn sie über das bestehende System hinaus führen.

Einen Unterschied, den ich mache – und der zwingend zu meinem Verständnis von Revolution gehört (siehe die neue Namensgebung meiner Blogrubriken!):

Das neue System löst weder das alte ab, noch ersetzt es dieses.

Die (zu?) grosse Herausforderung

Das neue System, das in seinem Wesen ja nichts Besonderes ist, sondern bloss das verkörpert, was uns Menschen, wie allen andern Lebewesen zusteht, bzw angemessen, also normal ist. Dieses neue System entsteht durch eine sukzessive Öffnung. Gleichsam eine radikale Erweiterung des alten Systems.
Im Raum, in dem das neue System installiert ist, hat das alte in einem Nähkästchen Platz. Ein kleines Puppen Museum mit lebendigen Figuren, um an den Irrtum von Jahrtausenden zu gemahnen.
Das gilt für dich allein, ebenso, wie für ganze Gesellschaften.

Da stellt sich für jede und jeden die Frage: Wie willst du kritisch Abstand nehmen von etwas, mit dem du selber innig verflochten bist?

Das haben ua unsere Lebensschüler eindrücklich bewiesen. Sobald sie jeweils der regelmässigen Begleitung entzogen waren, flüchteten sie umgehend zurück in den vermeintlich sicheren Schoss des Üblichen. In die von uns Menschen weitgehend willkürlich konstruierten Welt. In die Matrix. Oder in die kleine Box zurück, die ich damals gerne als Metapher verwendete.

Leider verweist das auch auf den wichtigsten Makel der Arbeit in der Lebensschule. Die Konfrontation mit der eigenen Wahrheit der Lernenden war noch nicht ehrlich und klarsichtig genug. Sie war nicht ausreichend konsequent und gleichzeitig wertschätzend-gelassen (= unabhängig), um die selbständige Emanzipation – und mit ihr das tiefe, eigene Verstehen – zu ermöglichen. Kurz: Da spielte noch eine Menge Angst unsererseits – der Leitenden – mit!

Ebenso fehlte das Wissen über die Leitplanken, das sich mittlerweile als entscheidend erwiesen hat, für die nachhaltige Befreiung von den Fesseln des üblichen Raums und das sich Ausbreiten im Raum des Normalen.
(Und natürlich fehlte die zweitwichtigste Erkenntnis überhaupt, die die herkömmliche Psychologie – Freuds Errungenschaft in erster Linie – in ein paar wenige Sätze fasst. -> in jüngeren Berichten, va im INSIDER nachzulesen + brandaktuell: Im Buch «Die Quintessenz» (bzw 3 Bücher), wo das neue Modell erstmals in die Gesamtschau integriert wurde -> bestellen im Online Buchshop des NormalVerlags!))

Kommt dazu, dass in der Lebensschule noch immer die Illusion der Machbarkeit irgendwo im Raum schwebte. Sie sollte – wie so häufig – die Ohnmacht bezüglich der Wirkung kompensieren.
Das Modell der GAP-Analyse, das ich eigentlich für Organisationen – also für Kunden – entwickelt hatte, half mir dann allmählich, selber zu erkennen, wo die damals aktuellen Grenzen meiner Arbeit waren.

So handelte es sich bei der an sich selbstverständlich hochprofessionellen Arbeit, mit den durchaus einzigartigen Erfolgen der Lebensschule letztlich doch nur um die eloquente Optimierung der Matrix.
Der neuartige – und in seiner Anlage bereits vollkommen richtige – Entwurf blieb (vorerst) Utopie.

Konsequenz: Wer sich in der Matrix mit Hilfe unserer Arbeit (noch) erfolgreich(er) einbettete, gehorchte – auf sich allein gestellt – bald wieder der panischen Angst, den scheinbar sicheren Raum des Üblichen zu verlassen.
Ja, mit dem Anwachsen dessen, was ich heute ohne zu zögern als Scheinerfolg taxiere, steigt die Angst gar an, alles wieder zu verlieren. Denn an der Konkordanz mit dem Üblichen – so geben uns all die so mächtigen Schwächlinge der Matrix überdeutlich zu verstehen – hängt alle Anerkennung. Und mit ihr der äussere Erfolg.

Kurz, und unter dem Strich: Die Wertfrage (das Wichtigste Hindernis überhaupt) blieb allgegenwärtig.

Natürlich deshalb, weil sie bis dahin nicht erkannt war. Genauso wenig wie bei Freud gab es in dieser, alles für uns Menschen Wesentliche erklärenden und schliesslich alles entscheidenden Frage einen echten Vorgänger. Die Welt musste auf Freud warten, bis die Psyche zu ihrem Recht kam.

Ohne Alternative: Revolution ist angesagt

Daher gilt ganz allgemein: Bleibt das UV21 aktiv, gibt es kein Entrinnen aus den Fängen der Matrix.

Alle Rebellionen, Revolutionen und anderen Lösungsversuche, die die Wertfrage ausklammern – so war es bisher durchgehend, das zeigt die Weltgeschichte auf einen Blick –, waren, sind und bleiben unumgänglich Teil der Matrix.

Nun ist es zwar soweit. Die Revolution, die das grundlegend falsch, nämlich patriarchalisch strukturierte System (Matriarchat ist auch nicht die Lösung!!) nach 15’000 jähriger Zäsur endlich wieder öffnet, ist parat.
Doch, wenngleich mittlerweile sowohl die Erkenntnisbasis ausreicht als auch das Lösungsmodell sowie das Verfahren genügend gereift sind, um den absolut zwingenden Anspruch endlich einzulösen. Ja, diesen bezüglich der kühnsten Erwartungen gar bei weitem zu übertreffen scheinen. So bleibt doch die Tatsache, dass, im Unterschied zu Freud – der es bereits schwer genug hatte, sich durchzusetzen –, mit dem Projekt zweite Lebensschule, dem Primärprozess sowie mit dem Verfahren Primäres Lernen unser ganzes Lebenskonstrukt – eben das, was ich Matrix nenne – im Kern getroffen wird.
Im Kern getroffen heisst zwar zugleich: Eine Lösung im Kern wird möglich. Jedoch …

Noch regiert die Angst

… Ja, es ist wahr. Ich hatte zuerst – also so ab 1997 – angenommen, dass dieser eigentlich fantastische Umstand, diese erstmalige und einmalige Chance für die gesamte Menschheit allgemein helle Begeisterung auslösen würde.
Ha! Ich hatte noch zu wenig verstanden von den Mechanismen der Matrix, die auf dem UV21 bauen, also auf der Angst, beim Verlassen des Clubs ‚Matrix’ für immer die Zugehörigkeit zu und die Anerkennung von dieser Scheinwelt zu verlieren. Das schlimmste also, das nicht nur jeder und jede mehr fürchtet als den Tod, sondern jede und jeder für sich ohnehin erwartet! Also heisst die gängige Devise: Davonrennen, solange man kann!
Und merke: Diese existenzielle Angst tritt auf, lange bevor die Alternative greifbar wird!

Diesen GAP konnten wir mit unserer intensiven und regelmässigen Schulung in der Lebensschule 2, bzw dem Root-Mind-Center überbrücken. Doch, wie bereits beschrieben, nicht nachhaltig genug, damit die Lernenden in der Lage waren, eigenständig weiter zu gehen auf dem Weg in den Normalen Raum (dorthin also, wo sich sämtliche anderen Lebewesen ausser wir Menschen aufhalten!).
Ich hatte also auch noch nicht verstanden, womit Freud damals tatsächlich konfrontiert war: Nicht bloss mit dem medizinischen Establishement, sondern mit den Mächtigen der Matrix generell: mit den Männern.

Konsequenzen gehören dazu

Als wir das realisierten, im Bewusstsein, dass der Gang in den Normalen Raum zwingend vollständige Unabhängigkeit bedeutet, lösten wir die Lebensschule umgehend auf (2007). So wollte ich nicht weiterfahren. Und weder wollten wir – meine damalige Frau und ich – warten, bis sich allenfalls die nötigen Erkenntnisse einstellten; noch wollten wir das unseren Lernenden zumuten; oder sie womöglich gar in der Illusion belassen, dass sie mit den damals verfügbaren Mitteln das erreichen konnten, was wir anstrebten.
Wer mich kennt, weiss, ich war noch nie ein Freund von Kompromissen (was nicht heisst, dass ich da, wo mich selber die Angst vor dem Ausschluss packt, ebenfalls lausige Kompromisse mache).

Und Realismus auch …

Heute lasse ich die Euphorie weniger von den Erkenntnissen als von den Ergebnissen steuern. Obwohl ich diesbezüglich mittlerweile allen Grund zur Euphorie habe, dehnt sich diese keineswegs aus, wie zu unserer euphorischen «Gründerzeit» um die Jahrtausendwende (s.o.).
Ich schätze die Lage wesentlich anders ein, als damals.
Obwohl ich täglich, um nicht zu sagen, den ganzen Tag mit den beiden Welten – Matrix und Normaler Raum – konfrontiert bin; heute, wo ich gleichsam ständig in beiden lebe, kann ich mir schlicht nicht vorstellen, wie diese grandios, dramatisch und haarsträubend konstruierte Welt der Matrix – strategisch geschickt ganz auf Existenzangst gebaut! – sich dereinst der Wirklichkeit öffnen wird.
Ich gestehe: Das erscheint mir gar schlicht undenkbar.

Einziger Lichtblick bleibt da für mich der alte Satz von Fritz Perls: ‚Es gibt nicht nur das, was du dir vorstellen kannst.‘
Oder eben umgekehrt: ‚Dass du es dir nicht vorstellen kannst, heisst nicht, dass es nicht eintrifft.‘

5 Kommentare »

  1. Als Lernende spüre ich täglich wie schnell und meist unbemerkt mich die Matrix in ihre Fänge nimmt. Mich der Angst zu stellen braucht viel Beharrlichkeit und das Vertrauen oder später die Erfahrung, dass genau dadurch die Alternative greifbar wird.

    Ursula am 7. August 2012 um 11:25 Uhr

  2. […] Wo stehen wir heute – Marx, Freud und …? […]

    2bd Blog | Bernhard Brändli-Dietwyler » Überarbeitet am 21. August 2012 um 13:38 Uhr

  3. Lieber Bernhard
    Habe gestern (zum ersten Mal) den Film „dunkle Begierde“ zu schauen begonnen. Du hast ihn schon mal im IS/Blog empfohlen.
    Was mich va beschäftigt, ist der damalige Widerstand der Gesellschaft Freuds neuen Entdeckungen/der neuen Bewegung gegenüber. Und dass er damit arbeitete, damit rechnete. Dass er trotz diesen Umständen von den Ergebnissen seiner Forschungen derart überwältigt war, dass er nicht anders konnte, als weitermachen. Ein déja vu.

    Was mich persönlich berührt: Die „Klinik am Zürichberg“ war damals die Forschungsstätte des C.G.Jung-Instituts. Ich hatte ja mit 17 Jahren null Ahnung von Psychologie und wurde quasi von innen her mit der jungschen analyt. PT vertraut gemacht. Wie früher bereits erwähnt, ging für mich dannzumal eine riesige, neue, faszinierende Welt auf, die mich stark bewegte und prägte.

    Ursula B. am 5. März 2013 um 18:32 Uhr

  4. liebe ursula
    die parallele zu freud ist da und bewegt mich schon länger. Obwohl, bei ihm gab es widerstand. Ich werde ignoriert.
    Ich finde übrigens heute, dass freud das richtige setting gefunden hat. Was danach kam, die humanistische Psychologie und Psychotherapie – mein ausbildungsraum –, hat viele neue tore geöffnet, wichtige tore, jedoch, anders als ich lange dachte, kein neues paradigma erschlossen.
    bis dann eben … aber das wissen wir ja allmählich.

    Heute ist meine wertschätzung für freud gross. Doch, verglichen mit mir hat freud nichts gewusst, obwohl er bereits unendlich viel erschlossen hat. Zwischen ihm, seinen zeitgenossInnen und mir liegen drei welten. Mindestens. Aber, wer nimmt das schon wahr? Kannst du als doppelt erfahrene das deutlich erkennen?

    Zu Jung. Er war für mich gewissermassen der erste esoteriker und folglich nie so mein gschpänli. Das tut mir leid, ursula, und schränkt deine bedeutsamen erfahrungen in keiner weise ein.

    Im film jedoch wird gezeigt, dass gerade jung über eine damals noch viel rigider gehandhabte grenze hinausging. Was für ihn spricht, obwohl er ansonsten wenig (oder nichts?) daraus gemacht hat.

    2bd am 5. März 2013 um 18:36 Uhr

  5. Ob ich den Unterschied deutlich erkennen kann? Vom Mind her keine Frage. Klar. Vom wirklichen Verstehen her, erst eine Ahnung, welche durch noch sehr junge (daher empfindliche) Erfahrungen erzeugt wurde.

    Ursula B. am 5. März 2013 um 19:01 Uhr

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