bfu-Kampagne Turboschlaf

von 2b am 25. Mai 2011

Der Kommentar eines Gründungsmitglieds von Ruhe & Aktivität hat mich veranlasst, den Brief ans bfu zur Kampagne Turboschlaf, den ich im INSIDER veröffentlicht hatte, einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Der Brief ging letzten Freitag sowohl postalisch als auch als Mail zusätzlich an BR Doris Leuthard, Vorsteherin des UVEK und an BP Micheline Calmy-Rey, die am Autosalon die Kamp.  gleichsam lanciert hat (was an sich verdankenswert ist).
Hier ist der Brief im originalen Wortlaut:

Sehr geehrte Damen und Herren

Nun bin ich zum ungefähr zwanzigsten Mal an Ihrem Kampagneplakat vorbeigefahren und versuchte auf dem bunten Plakat mit komplexem Bild (das wahrscheinlich witzig und cool wirken soll), plus viel Text, wiederum in verschiedenen Stilen und Farben, in einer halben Sekunde die Botschaft zu entziffern (1), bzw. dann auch noch zu entdecken, was denn eigentlich zu tun sei (2). Merke: Die Plakate stehen stets an Stellen, wo man schnell fährt, bzw. die Aufmerksamkeit ganz dem Strassenverkehr gehört, wie etwa Autobahnauffahrten (kein Ort zudem, um schläfrig zu sein; Adrenalinschub!) (3).
Zusätzlich habe ich eine Reihe von Leuten gefragt, was Turboschlaf sei. Niemand wusste Bescheid, obwohl den meisten die Plakate – beiläufig – aufgefallen waren.

Heute bin ich – weil ich schliesslich vom Fach bin – ausgestiegen und habe das Plakat fotografiert. Nun habe ich, glaub ich die Botschaft kapiert (und auch Zeit gefunden, die Webadresse zu lesen). Und frage mich sofort: Wer setzt das um (da hätten Ihnen unsere Erfahrungen aus zahlreichen Kursen zur Verfügung gestanden)? Wer schläft am Strassenrand, ohne Furcht, sich zu verschlafen (4)? Glauben Sie mir, ich habe das über Jahrzehnte hundertfach mit KundInnen durchgespielt. Es funktioniert zwar besser, als erwartet; wer von den durchschnittlichen PassantInnen weiss das aber? Und wer glaubt das Ihnen, ohne, dass Sie die Erfahrung direkt vermitteln können?

Doch eigentlich fragen wir uns: Weshalb haben Sie nicht vorher uns gefragt? Immerhin arbeite ich persönlich seit 1985 intensiv am Thema menschliches Energiemanagement (Buch) – und gelten wir, seit der Gründung von Ruhe & Aktivität 1995 (heute integriert in be vision), als die Experten in diesem Bereich (5); vor allem, wenn es um die konkrete Umsetzung geht. Wenn ich mich recht erinnere, hatten wir auch mehrmals Kontakt zum bfu.
Dabei hätten Sie zugleich erfahren, dass man zwar am Strassenrand einen Kurzschlaf halten kann, dass jedoch die Botschaft, auf dem das vermutlich basiert – der Powernap – wissenschaftlich falsch ist. Der Name Turboschlaf ist dann eher Geschmacksache.
Zudem hätten Sie entdeckt, dass unser Konzept der Kurzregeneration tagsüber bei praktisch gleichbleibender Einfachheit und sogar erhöhter Eingängigkeit wesentlich differenzierter ist und daher praktikabler. Mein Buch oder einer meiner Artikel hätte Sie in die richtige Richtung gewiesen.

Unser Vorschlag: Übung abbrechen und diesmal richtig machen.
Vielleicht ist es auch möglich, die Kampagne umzulenken; im Internet sieht sie ja sehr umfangreich und, von aussen zumindest, nicht schlecht aus, auf jeden Fall gut gemeint. Allerdings ist sie in meinem Lebensraum nicht angekommen. Ich habe noch kein einziges Attribut davon gesichtet.
Also nochmals

  1. Sich fragen, was wollen wir erreichen? Sollte z.B. die Kampagne nicht besser mit einer übergeordneten Kampagne koordiniert werden, wodurch der Kontext und somit die Wirkung vergrössert würde (auch dazu hätten wir einiges beizutragen)?
  2. Was können wir erreichen? Ev. in Etappen.
  3. Mit welchen Massnahmen können wir das erreichen?
  4. Wir vermitteln wir diese Massnahmen?
  5. Wie gehen wir vor?

So in etwa haben Sie sich diese Fragen wohl vorher auch gestellt. Aber, du meine Güte, mit welchem Ergebnis?! Mit Verlaub.

Letzte Frage: Evaluieren Sie das Ergebnis auch, seriös? Vielleicht besser nicht.

(Die Ziffern 1-5 weisen auf die wesentlichen Kritikpunkte hin).

Mit freundlichen Grüssen

Bernhard Brändli-Dietwyler
be vision

PS: Wer den Begleitbriefrief an Doris Leuthard lesen will, kann sich bei mir melden.
Dasselbe gilt für den Brief an M. Calmy-Rey.

4 Kommentare »

  1. der gewaltige regenerationsnachholbedarf, hier als spitze des eisbergs mit der kampagne „turboschlaf“ vorgeführt, beruht auf der krassen missachtung chronobiologischer gesetzmässigkeiten. an diesen instanzen (u.a) hat sich der ausgleich des menschlichen energiepotentials zu messen, soll er die chance einer nachhaltigen wirkung haben. die kampagne hat ein paar klare und witzige anker, wie etwa die prägnante aufzählung von müdigkeitsanzeichen oder die videos des mutigen welschen auf dem fussballplatz und beim mc donalds. regeneration für den sekundenschlaf hat aber überhaupt nichts mit „schlafen“ zu tun und so führt der grosse aufhänger „turboschlaf“ auf die falsche fährte. dies bringt höchstens eine kurzfristige wirkung, die gleichermassen verpufft, wie all die symptombekämpfungsmassnahmen in anderen lebensbereichen. deshalb: nehmt die laufende kampagne zum anlass, aus fehlern zu lernen und lasst den weiteren schritt von einem lebenskompetenten experten in sachen menschlichem energiemanagement begleiten.

    melchior ryser-inderbitzin, gründungsmitglied von ruhe und aktivität (r&a)

    melchior ryser am 24. Mai 2011 um 18:20 Uhr

  2. ein topseriöser masterstudent an der HSG (Marketing), der dort einen Vortrag der coolen Werbeagentur gehört hat, die sich bei der (mE bescheuerten) kamp. «slow down» mit Facebookclicks als Erfolg brüstete (dabei lautet die einzige frage: wer fährt wegen der kamp. langsamer?), nennt die bfu eine «Geldvernichtungsmaschine»).

    2bd am 25. Mai 2011 um 10:25 Uhr

  3. […] habe hier den Brief an die bfu betreffend deren Kampagne Turboschlaf veröffentlicht. Der Brief ging inkl. Begleitbrief […]

    2bd Blog | Bernhard Brändli-Dietwyler » bfu-Kampagne Turboschlaf – Fortsetzung1 am 7. Juni 2011 um 11:29 Uhr

  4. […] Und daraus entstand fast automatisch etwas mehr als der erste, fast schon schüchterne Satz im Brief ans bfu (gegen Schluss, Punkt 1). Nämlich der konkrete Vorschlag für eine landesweite Kampagne der […]

    2bd Blog | Bernhard Brändli-Dietwyler » bfu-Kampagne Turboschlaf – Fortsetzung3 am 10. Juni 2011 um 11:57 Uhr

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